Sabie Lindstaedt

Der Daten tiefes Wissen

Erkenntnisgewinn durch Big Data? Angesichts der rasant zunehmenden Dichte an Information, mit der Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft konfrontiert sind, scheint das Fragezeichen berechtigt. „Der Erkenntnisgewinn durch die Dichte der Daten ist enorm“, sagt indes Stefanie Lindstaedt, Leiterin des Know-Centers in Graz.

Fragen um zu wissen.

Fragen um zu wissen.

„Es ist ein Unterschied, ob Blutdruckwerte nur einmal im Jahr erhoben werden oder täglich. Denn im zweiten Fall zeichnen sie durch ihre Dichte ein ganz anders Bild, ein sehr viel tieferes, informativeres.“ Und führt man dann auch noch unterschiedliche Datenströme zusammen, dann beginnt sich das Bild noch mehr zu differenzieren, sind Muster erkennbar, die zuvor nicht aufgefallen sind, sind Lösungen denkbar, die bis dahin nicht einmal erahnt wurden.

Das ist, kurz umrissen, die wunderbare Welt von Big Data. Wobei der Begriff an sich ein wenig unglücklich wirkt, zu sehr an den Big Brother erinnert, an die allumfassende Überwachung und damit an Einengung und Kontrolle.

Stefanie Lindstaedt legt Widerspruch ein. Big Data, sagt sie, ist ein Werkzeug, das Türen zu neuen Möglichkeiten öffnet und damit auch neue Freiheiten ermöglicht. Nur, Big Data muss gezielt und bewusst genutzt werden, und zwar von Leuten, die wissen mit diesen Werkzeugen umzugehen. Damit setzte sich im Oktober 2016 unter anderem die i-Know, die internationale Data-driven Future Conference, auseinander.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden die verschiedensten mit Big Data verbundenen Lösungen und Zugänge präsentiert. Das reicht von Finanzprodukten, die Kunden helfen, ihre Finanzen besser zu verstehen, über Möglichkeiten, dem Kostendruck in der Zivilluftfahrt gezielt entgegenzuwirken bis hin zu einem Netzwerk von 55 europäischen Forschungs- und Kompetenzzentren im Bereich Big Data, die gemeinsam die Forschung in Europa vorantreiben und Synergien nutzen wollen (ein Verbund, in dem das Know-Center eine zentrale Rolle spielt).

Und doch geht es nicht alleine um die Auswirkungen auf Unternehmen und Forschung. Big Data hat, und dessen waren sich die Teilnehmer des Kongresses sehr bewusst, Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen. Big Data verändert die Arbeitswelt.

Wolfgang Zitz, Werksleiter von Magna Steyr in Graz, implementiert gerade eben eine „Smart Factory“ und sieht aus der Praxis heraus neue Arbeitsfelder entstehen ebenso wie Erweiterungen bestehender Berufe.  Volker Markl, vom Berlin Big Data Center, sekundiert ihm und ortet die aktuell größte Herausforderung für Unternehmen in Bezug auf Big Data im „akuten Mangel qualifzierter Data Scientists auf breiter Ebene“.

Die Gesellschaft befindet sich auch in dieser Hinsicht also in einer Situation des Umbruchs, konstatiert Lindstaedt. „Wir müssen lernen, mit den Daten umzugehen, sie gezielt zu nutzen, um sie als ,Treibstoff‘ für Innovationen einzusetzen.“ Im Grunde verhalte es sich derzeit wie in Platons Höhlengleichnis, „wir nehmen nur einen Datenschatten wahr“. Der bewusste Umgang aber führe dazu, dass die „Daten eine erweiterte Wahrnehmung ermöglichen, sie fungieren wie ein zusätzliches Organ, wobei sie nicht der einzige aber eben ein weiterer, erweiternder Kanal sind“.

Um sie so in aller Selbstverständlichkeit und Souveränität nutzen zu können, braucht es auch eine andere Art des Lernens. In einer Welt der Daten und Informationsflut gilt es vor allem Fragen stellen zu können, die in einen Erkenntnisgewinn resultieren. Wie man Big Data Technologien für das Tagtägliche Lernen am Arbeitsplatz, im Alltag aber auch an Hochschulen und Schulen nutzbringend einsetzten kann, damit befasst sich das EU-Projekt AFEL (Analytics for Everyday Learning), welches vom Know-Center gemeinsam mit seinen Projektpartnern GNOSS (Spanien), Leibniz-Institut für Wissensmedien Tübingen und der Leibniz Universität Hannover (beide Deutschland) sowie der Open University (Großbritannien) getragen wird. „Im Grunde“, so Mathieu d´Aquin, wissenschaftlicher Leiter von AFEL, „geht es darum, Daten so zu personalisieren und zu individualisieren, dass es zu einer Konversation zwischen Daten und User kommt.“ Zu einem andauernden informellen Lernprozess. Zu einem Erkenntnisgewinn. (fvk)

 

Photo © Jonathan Simcoe/Unsplash