Zukunft

Modelle der Zukunft: Der Medici Effekt

Markus Hengstschläger und Niki Popper im Gespräch über Modelle der Zukunft und Vorbilder aus der Renaissance. Und darüber, welche Kompetenzen benötigt werden, das Wissen der Welt in Innovation zu übersetzen.

 

Sie wissen voneinander – aus Funk und Fernsehen. Kennengelernt hatten sie einander bisher noch nicht: Der Genetiker Markus Hengstschläger und der Simulationsforscher Niki Popper. Das ändert sich an einem Tag im Dezember 2021, als die beiden sich am Institut für Medizinische Genetik über Modelle der Zukunft unterhalten. Es treffen zwei Kapazitäten aufeinander. Die Simulationsmodelle Poppers sind essenziell für die Formulierung der österreichischen Corona-Strategie. Sie geben Auskunft darüber, was unter welchen Umständen zu erwarten ist. Man kann sagen, sie werfen einen Blick in die Zukunft. Der Genetiker und Institutsvorstand Hengstschläger leitete gemeinsam mit Hannes Androsch den Rat für Forschung und Technologieentwicklung, ist stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt und wissenschaftlicher Leiter des Thinktanks Academia Superior – Fragen der Zukunft sind gleichsam sein täglich Brot.

Die Stimmung ist gelöst. Beide Herren sind aufeinander gespannt und wollen sichtlich die Gelegenheit nutzen, sich über Themen, die über den Tag hinausgehen, auszutauschen. Das Du-Wort vereinbaren sie gleich zu Beginn des Gesprächs. Damit ist das geklärt. Dann geht es gleich einmal um Grundsätzliches: Was braucht es an Wissen und Information, um in einer zunehmend komplexen Welt den Überblick zu behalten? Um dann die Zukunft zu gestalten?

Hengstschläger: Hier ist es einerseits wichtig, implizites und explizites Wissen zu unterscheiden. Außerdem gilt es zu unterscheiden: Das Wissen, welches uns weltweit zur Verfügung steht und das Wissen, das die und der Einzelne im Kopf hat. Die Tatsache, dass wir durch die digitale Transformation Zugang zu Informationen, Daten und Wissen haben wie noch nie, ist ein enormer Vorteil. Das aber bedeutet, dass man jede Menge Kompetenzen ­– wie Mut, Kreativität, Resilienz, soziale Kompetenzen, Entscheidungsfähigkeit – benötigt, die es ermöglichen, dieses Wissen zu nutzen, neue Anwendungen zu entwickeln, Kreativität und Innovation zu leben.

Popper: Der Unterschied zwischen Daten und Wissen ist ein wichtiger Punkt. Warum? Daten sind das eine, die Zusammenhänge der Welt zu verstehen, ist das andere. Mir ging es nie um das Goldgräbertum mit Daten, ich habe immer gesagt, ich will das verstehen. Das ist der Punkt. Mit unseren Modellen wollen wir meistens die Frage nach dem Warum beantworten. Der Bau von Modellen ist eine Kompetenz. Man muss modellieren können, wissen, was Mikro- und was Makrosimulation ist, was ist AI und was Re-enforcement Learning und tausend andere Dinge. Das muss man als Handwerk, als gerichtetes Wissen, beherrschen. Zusätzlich muss man die Kompetenz und die Kreativität haben, zu sagen, wie modelliere ich eine Großstadt wie Wien? Hier entsteht ein Wissensaustausch.

 

Der Anfang ist vielversprechend. Über die Grundbegriffe Wissen und Kompetenz herrscht Einigkeit. Wenn der eine spricht, ist der andere ganz Ohr. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass diese Unterhaltung auch ganz grundsätzliche Fragen berühren wird, zum Beispiel die, wie Menschen Kompetenzen vermittelt werden.

Hengstschläger: Wenn wir in Richtung Modelle der Zukunft schauen, dann ist die Frage, was fangen wir mit dem Wissen, das zur Verfügung steht, an? Das Morgen wird anders sein als das Heute. Daher müssen wir permanent unser Wissen so anwenden, dass wir für Fragen, mit denen wir noch nie konfrontiert waren, Lösungen finden. Für diese völlig neuen Probleme und Themen reicht das vorhandene Wissen allein nicht aus. Also müssen wir es mit unseren Kompetenzen neu kombinieren und ständig erweitern. Das ist, was ich gerne „Lösungsbegabung“ nenne.

Der Mensch ist das lösungsbegabteste Wesen auf diesem Planeten. Weil er in der Lage ist, sein Wissen auf Dinge anzuwenden, wie es noch nie zuvor angewandt worden ist. Dafür braucht er neben Kreativität auch etwa Fleiß, kritisches Denken, Teamfähigkeit und einen hohen emotionalen IQ.

 

Jetzt ist Hengstschläger in seinem Element. Zehn Jahre im Rat für Forschung und Technologieentwicklung sind zehn Jahre Evaluierung des Bildungssystems und der Innovationsfähigkeit Österreichs. Und es sind zehn Jahresberichte zu diesen Themen, an denen er mitgearbeitet hat.

 

Hengstschläger: Unser Bildungssystem müsste viel mehr auf die Entwicklung von Talenten, Begabungen und Kompetenzen im Sinne von „was mache ich damit?“ fokussieren. Die nächste Generation soll sagen können: „Das mache ich damit, das wende ich an, da sind wir innovativ“. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Aber wir sind immer noch kein Innovationleader. Wir sind ein Innovationfollower. Wir haben bei Patenten, Ideen und Neuentwicklungen die Nase nicht vorn. Wenn sich Gesellschaft oder Unternehmen nicht um diese ungerichteten Kompetenzen kümmern, dann haben sie für die Herausforderungen der Zukunft nicht die richtigen Antworten.

Aus Zahlen, aus Null und Eins, aus ATGC, aus Daten wird dann Information, wenn ich zumindest ein, zwei Relationen herstellen kann. Zum Beispiel, dass das eine ein Geburtsdatum ist und das andere ein genetischer Code. Dann habe ich eine Information. Wissen ist die Ebene, wo ich sage, jetzt kann ich das im Kontext mit vielen anderen Dingen zusammenführen, und etwa eine neue Therapie entwickeln. Das ist Kontextwissen.

Das ist, was wir mit dieser Information machen können: Kontext! Der Mensch ist in der Lage zu sagen, „Wenn ich dieses kombiniere und jenes verändere, dann ergibt sich etwas Neues“. Und auf einmal fliegen Flugzeuge durch die Luft. Oder wir haben einen RNA-Impfstoff. So funktioniert Innovation! Wir müssen viel mehr Fokus darauf legen, zu sagen „Wie kriegen wir diese Lösungswege hin?“. Das wird bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der nächsten Generation den Unterschied ausmachen.

 

Während Hengstschläger spricht, nickt Popper immer wieder zustimmend. Verknüpfungen und Verbindungen herzustellen, das ist, was er macht. In großem Stil.

 

Popper: Über den Kontext wird tatsächlich viel zu wenig diskutiert. Mir geht es um Modellierungskonzepte und darum, zu verstehen, wie ich die Welt unterschiedlich beschreiben kann. Denn es geht ja um die Welt da draußen und um Modelle der Zukunft. Wir beschäftigen uns immer mit sehr komplizierten, zusammengesetzten Systemen. Ich freue mich über jedes Problem, wo ich mich mit drei Leuten, mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammensetzen kann und wir ein Modell erarbeiten. Ich erlebe immer wieder, dass Unternehmen seit Jahren mit einer Methode, sozusagen durch eine Brille, auf ein Problem starren und nicht weiterkommen. Man muss nur das Problem drehen, eine andere Brille aufsetzen und plötzlich hat man einen anderen Effekt. Dann erkennt man dynamische Effekte. Die Frage ist, wie bringen wir diese Kompetenzen neue Lösungen zu finden, zusammen.

Das Gespräch zwischen den beiden Herren nimmt den Charakter eines freundschaftlichen, aber hochambitionierten Ping-Pong-Spiels an. Beide liefern einander in rascher Reihenfolge Stichwörter, die Fragen noch eingehender zu erörtern. Dazu geht es auch einmal gut 500 Jahre in der Geschichte zurück.

 

Hengstschläger: Das bringt mich zum Silicon Valley der Vergangenheit, der Region zwischen Pisa und Florenz. Die florentinischen Renaissance wurde durch etwas beflügelt, was auch Niki Popper macht, und was man den Medici Effekt nennt. Die Medici investierten viel Geld, um Menschen, die normalerweise so nicht zusammengekommen wären, zusammenzubringen und Schnittflächen zu bilden. Der Medici Effekt ermöglichte, dass Wissen aus den unterschiedlichsten Bereich aufeinander traf, woraus neue Ideen und Lösungsansätze entstanden. Das ist, was Niki Popper macht, er hat Daten, er kombiniert sie, erzeugt Schnittflächen und das führt zu neuen Lösungen. Das sind die Modelle der Zukunft!

Popper: Das ist tatsächlich der Luxus, den ich habe. Ich rede in der Früh mit Archäologen, dann mit Dermatologen, am Nachmittag mit einem Logistiker und am Abend mit Kunsthistorikern. Das ist total spannend. Aber wir haben euch gegenüber einen großen Nachteil: Ihr Genetiker verändert die Welt. Wir bauen nur ein virtuelles Abbild des Systems. Das ist alles, was wir generieren. Und das ist eine große Limitierung. Dessen muss man sich bewusst sein, egal womit man sich beschäftigt ob mit der Rail Cargo Logistik der ÖBB oder dem Energy Transfer in Europa. Wir schaffen ein Abbild und helfen dabei den verschiedenen Interessenten, den Entscheidern, der Scientific Community, den betroffenen Menschen Wissen darüber zu vermitteln, wie das zusammenhängt. Aber wir ändern nichts.

 

Sind es nicht auch die Modelle, die Verhalten ändern können? Hat sich nicht gerade in der Pandemie – die hier zum ersten und letzten Mal kurz als Beispiel auftaucht – gezeigt, dass Simulationen zum Infektionsgeschehen dazu beigetragen haben, dass viele Menschen ihr Verhalten danach ausgerichtet haben? Dem stimmt Popper zu. Über diesen Weg, meint er, hätten er und sein Team sogar einen ziemlich massiven Impact.

 

Popper: Man muss sich bewusst sein, dass wir nicht die Welt ändern können. Im allerbesten Fall ändern wir das Verständnis über die Welt. Wir liefern ein Abbild des Status quo, über Szenarien, mögliche Zukünfte und die Möglichkeit, Mechanismen und Zusammenhänge besser zu verstehen. Dieser Blick kann dann beitragen, dass Menschen über ihr Verhalten nachdenken, unser Modell hinterfragen oder auch etwas ändern.

 

Die Forschung zur Genetik, meint Popper, verändert die Welt. Daraus entstehen neue Therapien, neue Ansätze, Krankheiten zu verstehen und behandeln zu können. Insofern gestalten die Genetiker die Zukunft aktiv. Nicht sie alleine, erklärt Hengstschläger und läutet damit die Abschlussrunde des Gesprächs ein.

 

Hengstschläger: Die Modelle der Zukunft entstehen immer neu. Ich sehe in meinem Fachbereich, dass wir mit dem Repertoire, das wir ursprünglich hatten, heute nur mehr bis zu einem gewissen Punkt kommen. Dann brauchen wir ein anderes Repertoire. Wir haben am Institut jetzt Leute, die sich intensivst mit Themen beschäftigen, die so in der Grundausbildung von Genetikern nicht enthalten waren. Modelle und anwendbare Lösungsansätze sind nur in den Schnittflächen von Teams möglich. Wir brauchen technologisches Wissen, wir brauchen Faktenwissen und wir brauchen Empathie, damit sich diese Teams aus Menschen unterschiedlicher Hintergründe, Ansichten, Einstellungen und Kompetenzen bilden und gemeinsam an der Lösung eines Problem arbeiten können. Das ist eine ganz zentrale Komponente der Modelle der Zukunft.

Popper: Diesen Ansatz teile ich absolut. Es kommt darauf an, Wissen zusammenzubringen, zusammenzuarbeiten. Ich finde das Wort Empathie in diesem Zusammenhang sehr schön. Du kannst nicht mehr mit einer Kompetenz, mit einem, mit zwei Mitarbeitern Probleme lösen. Die Modelle der Zukunft sind hochkomplexe Angelegenheiten. Mit ihnen kann man Potentiale heben und die Menschen dahinführen, die Welt zu verstehen. Unsere Aufgabe ist, zu verhindern, dass sie abheben, virtuell und abstrakt werden. Wir müssen darauf achten, dass sie verständlich bleiben.

Hengstschläger: Das ist es. Wir müssen in der Lage sein, Leute zusammenzubringen, Teams zu bilden, und zwar ganz flexibel. Für dieses eine Problem brauche ich jetzt im Moment das richtig zusammengestellte Team. Dann geht es wieder auseinander. So hat man unzählige dieser Medici Effekte. Ich glaube, anders geht es gar nicht mehr. Man muss in der Lage sein, diese unglaublichen Angebote an gerichteten Wissen, die es auf dem Planeten gibt, auch wirklich kreativ und innovativ einzusetzen.


Dieses Gespräch wurde erstmals in „&beyond“, dem Magazin zum Geschäftsbericht 2021 der PALFINGER AG, veröffentlicht.
Photos: Thomas Topf,
thomastopf.com

Afrikanische Perspektiven

Es ist, aus europäischer Warte, eine klare Sache und Afrika ein taumelnder, ein stürzender, ein brandgefährlicher Kontinent. Tummelplatz maßloser Diktatoren, Schauplatz unzähliger archaischer und blutiger Konflikte, Ursprung einer alle Dimensionen sprengenden Migrationsbewegung. Vielleicht sogar, für manche sicher, das Ende Europas.

Es gibt, so viel Ausgewogenheit muss sein, auch noch eine zweite Variante europäischer Sichtweise auf Afrika. In dieser ist der Kontinent Heimstatt einer einzigartigen Flora und Fauna, die die Afrikaner nicht in der Lage sind zu bewahren, weswegen es europäischer Unterweisung bedarf.

Und, es wird die Klage laut, die Afrikaner verkauften sich, ach was verkaufen, sie würfen sich China bedenkenlos an die Brust, nähmen sehenden Auges (und gegen viel Bares) eine zweite Kolonisation in Kauf. Diesmal eben durch Fernost. Das schmerzt die Europäer, denn sie meinen es nur gut mit Afrika, dem verlorenen Kontinent. Wenn doch nur die Afrikaner endlich die guten Intentionen Europas verstünden.

Wenn doch nur die Afrikaner endlich die guten Intentionen Europas verstünden.  © Trevor Cole / Unsplash.com

Wenn doch nur die Afrikaner endlich die guten Intentionen Europas verstünden.
© Trevor Cole / Unsplash.com

Es ist das Verhältnis zwischen Europa und Afrika tatsächlich schwierig. Nicht nur der Vergangenheit wegen. Es ist schwierig, eben aus dem Grund, dass sich die Sicht des Nordens auf den Süden nur wenig geändert hat im Laufe der Jahrzehnte. Diese Perspektive besagt, dass den Afrikanern geholfen werden muss. In der wirtschaftlichen Entwicklung, im Aufbau von Strukturen und Infrastrukturen, in letztlich allen Belangen von Bedeutung. Diese Perspektive fokussiert beharrlich auf das Bild eines ruralen Afrika, auf staubige Hütten am Rande noch staubigerer Straßen, auf große, leidende Kinderaugen, auf Armut und Zukunftslosigkeit. Hier gilt es Brunnen zu bohren, Ziegen zu verschenken, kleine Werkstätten zu etablieren und zu unterrichten.

Ausgespart bleibt das Leben in Luanda, der angolanischen Hauptstadt, einer der teuersten Metropolen der Welt. Modern, pulsierend, im Aufbruch. Ausgespart bleiben Städte wie Nairobi (es sei denn, es geht um die Slums) oder Maputo, ausgespart bleiben Johannesburg (es sei denn, man braucht ein Beispiel zur Illustration von Kriminalität) und Durban.

Kommen in Europas Sicht nicht vor, die afrikanischen Metropolen. © Marlin Jackson / Unsplash.com

Kommen in Europas Sicht nicht vor, die afrikanischen Metropolen. © Marlin Jackson / Unsplash.com

Ausgespart bleiben die Errungenschaften vieler afrikanischen Gesellschaften und Staaten seit 1989. Denn, auch das wird von Europa aus kaum und nur sehr am Rande wahrgenommen, mit dem Ende des Kalten Krieges gehen die Stellvertreterkriege der Blöcke in Afrika zu Ende. Während in Europa Vaclav Havel als Symbol eines neues Zeitalters gefeiert wird und Bill Clinton dazu auf dem Saxophon die amerikanische Begleitmusik gibt, fallen in Afrika die Diktatoren. In Malawi wie in Sambia etablieren sich demokratische Regime, der Bürgerkrieg in Mosambik endet in einem vorerst fragilen Frieden so wie jener in Angola. In Tansania und in Kenia entwickeln sich demokratische Oppositionskräfte, Wahlen werden zu Wahlen. Machtwechsel demokratischer Natur finden statt.

Europa blickt unterdessen begeistert auf Südafrika und Nelson Mandela. Und entgeistert auf den Genozid in Ruanda. Später dann auf Simbabwe und seinen altersstarren Präsidenten Mugabe. Da werden dann doch wieder Stimmen laut in Europa, die fragen, ob der Kolonialismus denn in der Tat so schlecht gewesen wäre.

Mehr ist nicht. Wenigstens nicht viel mehr.

Entwicklungen, die Europa zu verschlafen droht. © Benny Jackson / Unsplash.com

Entwicklungen, die Europa zu verschlafen droht. © Benny Jackson / Unsplash.com

Dieser Tage hat der US-amerikanische Think Tank Brookings Institution ein paar Zahlen, Daten und Fakten zu Afrika zusammengefasst. Sie skizzieren eine Entwicklung in Afrika, die Europa schlichtweg zu verschlafen droht.

Seit 2015, so die Autoren des Beitrags, Landry Signé und Ameenah Gurib-Fakim, zählte Afrika mehr als 27 Machtwechsel durch demokratische Wahlen, Staaten wie Mauritius, Botswana, Kap Verde, Namibia und Ghana gelten als politisch stabile, demokratische Länder, andere wie Südafrika, Sambia, Malawi und Äthiopien als aufstrebende Demokratien.

Seit dem Jahr 2000 ist in 34 Staaten, in denen 72 Prozent aller Afrikaner leben, die verantwortungsbewusste Regierungsführung (Good Governance) substantiell gesteigert worden. Binnen der letzten zehn Jahre wurden Bereiche wie gesellschaftliche und politische Teilhabe sowie Rechtsstaatlichkeit deutlich verbessert, im Laufe der letzten fünf Jahre zudem Bereiche wie Transparenz und Verantwortlichkeit.

Es verändert sich etwas, und es verändert sich rasch. © Alex Paganelli / Unsplash.com

Es verändert sich etwas, und es verändert sich rasch. © Alex Paganelli / Unsplash.com

 Nein, damit ist bei weitem nicht alles gut. Der Bürgerkrieg im Kongo, die immer noch angespannte, um nicht zu sagen enttäuschende Situation in Simbabwe, die nach wie vor grassierende Korruption in vielen Ländern, die drohende Ausrottung von Nashörnern, Elefanten und Löwen durch organisierte Wilderei, das alles ist real und gegeben. Aber: Diese Themen treiben die afrikanischen Gesellschaften um. Tragen dazu bei, dass sich zivilgesellschaftlich Initiativen bilden, oftmals getragen von Frauen, die nach Verantwortung streben und sie wahrnehmen.

Und Verantwortung nehmen die afrikanischen Staaten tatsächlich wahr. Nirgendwo zählt man mehr Flüchtlinge als in Afrika, und doch streben sie nicht einfach alle nach Europa. Allein Uganda, Äthiopien und Kenia beherbergen rund 2,8 Millionen Flüchtlinge und versorgen sie, allen Mängeln zum Trotz.

In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass, trotzdem 2017 in Summe 18 Konflikte in und zwischen afrikanischen Ländern gezählt wurden, selbiges Jahr jenes mit den neuntwenigsten Opfern seit 1950 war.

Noch ein paar Fakten: Seit 1995 ist die chronische Mangelernährung von Kindern unter fünf Jahren um zehn Prozentpunkte zurückgegangen, hat der allgemeine Gesundheitszustand von Kindern zugenommen, steigen – trotz HIV und Malaria – dank verbesserter Behandlungen Lebenserwartung und die Aussicht auf ein qualitätsvolles Leben.

Es gibt sie, die guten Nachrichten aus Afrika. Man muss sie nur hören. © Paul Zoetmeijer / Unsplash.com

Es gibt sie, die guten Nachrichten aus Afrika. Man muss sie nur hören. © Paul Zoetmeijer / Unsplash.com

Parallel dazu steigt die Zahl jener Kinder, denen ein Schulbesuch möglich ist. Von 60 Millionen im Jahr 2000 auf 150 Millionen 2017. Die Alphabetisierungsrate unter Erwachsenen ist seit 1995 um zehn Prozentpunkte angestiegen, vor allem und in erster Linie unter Frauen.

Apropos, in elf afrikanischen Staaten halten Frauen mindestens ein Drittel aller Parlamentssitze – mehr als in Europa oder in den USA.

Das ist, zugegebenermaßen, eine Momentaufnahme. Freilich eine, die einen anderen Blickwinkel wenigstens ermöglichen sollte. Auf Afrika, als einen Kontinent der Hoffnung, der Möglichkeiten.

Konzentriert sich Europa weiterhin auf die „Bad News“ und auf das Szenario einer ungebremsten Migration zu seinen Lasten, verliert es notwendigerweise Zugang zu Afrika und die Potentiale einer zukunftszugewandten Partnerschaft. (FKSK)